Der Mensch taugt mehr als sein Geld

  • Wenn man sich nach dem Aufstehen nicht ankleidet, braucht man sich abends nicht wieder umzuziehen.
  • Wenn man kein Geld hat, kann man die Eurokrise getrost ignorieren.
Was man tut, braucht man nicht zu denken, denke ich und gehe eisfischen. Am Ende des Tages habe ich einen großen Sack gefrorenen Wassers auf dem Rücken und gehe zurück in meine Kate, wo ich über einem kleinen Feuer das Eis schmelze um Suppe daraus zu kochen.

Maschinenleben

Ich habe Wladimir Putin weinen sehen. Ganz rot waren seine Augen und die Lesebrille beschlagen. Darum ist Putin so ein feiner Mensch, weil er weinen kann.

Einen Hagebuttenaufguss trinken und dazu Mohngebäck fressen, wie wenn es kein Morgen mehr gibt. Musik: Die brandenburgischen Konzerte in der Putin-Interpretation.

Der Chef kommt als Harlekin vorbei und drückt jedem einen dicken Kuss auf die Wange. Mich ekelt.

Wenn Apparate aus Stahl und Kupfer und mit langen, leitenden Drähten versehen sind, haben sie soetwas wie eine Seele. Und wenn nicht, wohnt ihnen doch wenigstens ein Dämon inne.

Im Zaubertrickladen verkaufen sie Tauben und Kaninchen. Es geht zu wie in einer Zoohandlung. Jedoch: Ich kaufe brennbares Papier. Ich war immer schon mehr der Feuerzauberer.

Abakus, Schreibmaschine und Radio sind heute eine Maschine. Sie kommt ganz ohne Öl und Kohle aus und braucht nur das ewige Licht der Sonne und die Kraft des Mondes um zu denken.

Neues aus dem neorationalistischen Untergrund

Flaches Grün durchtreten wir (3) mit unseren alten Füßen, ledern von der Abendsonne. Große Gedanken fließen leise leuchtend neben uns und einander her und verwinden sich mit den ledernen Füßen.
Die großen Gedanken sind kleiner als kleine Gedanken, die oft größer scheinen als sie selbst.
Wie braune Bahnen tropfen die Gedanken also fließend neben uns durchs flache Grün und verwesen alles Natürliche.

In seiner Hosentasche ballt Herbert die Faust, als du ihm das sagst; und auch ich bin wutentbrannt und bereit zu Revolution /gegen die Gedanken. Du aber sagst: Scheiß Romantik! und da denken Herbert und ich, jetzt klar im Kopf, noch einmal über diese Dinge nach. Dein Wort hat für uns immer so viel mehr Gewicht als ein Laster voll mit Schwerbeton und darum sind wir wohl doch soetwas wie Rationalisten. Neorationalistischer Untergrund, so nennen wir uns manchmal mit keckem Zwinkern, aber nicht laut, dass nur wir drei davon wissen.

Wenn aber der Fluss (blau) über seine Ufer tritt und das flache Grün übertüncht, dann ist auch der schönste Rationalismus nur grauer Schein gegen den Regenbogen; denn schlicht schön ist es die abendsonnenledernen Füße durch’s blaugrüne Nass zu bewegen, das dann alle braunen Bahnen dahingewischt hat.

Traumtagebuch (6)

Gemeinsam mit einem japanischen Kryptographie-Experten bin ich bei einer Automobilversteigerung. Er und A., der überraschend auch da ist, bieten auf klassische Mercedes-Modelle. Mich langweilt das. Erquickt stelle ich fest, dass die Versteigerung in einem Zelt vor einem Studentenwohnheim stattfindet.

rechts des linken Ohres

Es plätscherten Töne durch das Gehirn desjenigen Mannes, der draußen im plätschernden Regen an den Bahngleisen stand. „Der Regen plätschert durch meinen Kopf“, dachte der Mann und ergänzte dann, leise murmelnd: „Aber wenn ich denke, dass das Plätschern in meinem Kopf ist, denke ich nicht mehr das Plätschern.“ – So dachte der Mann im Nebel-Regen an einem späten Wintermorgen.

„Eine feine Sause war das gestern“, dachte er weiter, als der Zug bereits abgefahren und er eingestiegen war, „eine wirklich feine Sause. Einer hat seinen Kopf verloren und ein anderer das Gesicht. Eine Sause wie es sie seit langem nicht mehr gegeben hat.“

An der nächsten Haltestelle stieg ein Mann ohne Kopf in den Zug. Ob es derjenige war, der gestern Abend dabei gewesen war, konnte der Mann, in dessen Gehirn es geplätschert hatte, nicht sagen. „Ohne Kopf“, dachte er, „sehen alle gleich aus. Gut, dass ich meinen Kopf noch habe.“ Da der Mann nicht mehr weiter über solche Dinge nachdachte, rannen nun Regentropfen durch sein Gehirn, die vom Fahrtwind die Scheibe entlang gewischt wurden. „Ob der kopflose Kerl wohl auch in meinem Betrieb arbeitet“, dachte der Mann plötzlich ärgerlich. Ärgerlich vor allem weil dieser Gedanke die schönen Tropfen aus seinem Gehirn geblasen hatte, so dass sie sich nun im Nebel auflösten. Ärgerlich aber auch, weil ihm die Vorstellung unangenehm war, dem Kopflosen den Weg weisen zu müssen, ihn vielleicht sogar am Arm zu führen.

Zum Glück stieg der Mann ohne Kopf nicht mit dem Mann, in dessen Gehirn es geplätschert hatte aus.

Drei Überlegungen zum Thema Astronomie

1: Zwischen den Gestirnen lag mein Schädel gut. In der Tiefe lag er und dachte an etwas Fremdes. – Über meinen Schädel vermag ich zu reden, wie einer, der im Drogenrausch von seinen Gliedern spricht, da sie ihm fremd geworden. Das liegt an meiner Erziehung, an den harten Wintern im tektonischen Hinterland und den trockenen Sommern im Gebirge, an meinen Eltern.

2: Die Genetik des Sternenhimmels ist bis heute weitgehend unerforscht. Es geht um Fragen wie die, ob ein Stern vom anderen abstammt und dergleichen Unfug. Ich wünschte dies Fass sei nie geöffnet worden. Die Evolutionsastronomie, da bin ich mir fast sicher, ist der Menschheit ein zu weites Feld.

3: Hoffnung die der Kosmos gibt. Auf eine andere Zeit, eine ohne Entropie und Zerfall. Eine Zeit die anderswo stattfindet. Auch nach anderen Regeln „tickt“, wie man so schön sagt. – Hier dreht sich ja immer alles nur um die gute Sonne, andernorts hat man vom Prinzip der Bewegung vielleicht schon lange Abstand genommen und misst Zeit anhand von Stillephasen o.Ä. . – Hiermit sollen sich die Damen und Herren Akademiker gefälligst einmal beschäftigen.

Reise in die neue Welt

Ihr Pferd ist schon gesattelt und Quantenaffen schieben Wagen durch die dunklen Gassen, dass sie schaudert. Im Morgengrauen will sie endlich fort aus diesem unwirtlichen Land, die Affen, die Wagen, all dies Elend hinter sich lassen und Rücken an Rücken mit Cowboys kämpfen um die neue, freie Welt. Sie schreibt das Jahr 1912 in ihr Tagebuch, wie das Ganze begann, dann das Jahr 13 und schließlich die Gegenwart: 1914. Sie ahnt noch nichts von Orwell, dessen exakte Wissenschaft der Futurologie sich erst 70 Jahre später unter Beweis stellen wird, sie ahnt noch nichts von Kafka, der zwar schon experimentiert und die  Realität dieses kranken Kontinents auf photografischen Platten abbildet, aber noch lange nicht zu dem ihm zustehenden Weltruhm gelangt ist. – Wovon sie weiß, das ist die Romantik der Vergangenheit, sie kennt auch Goethe und Schiller, diese Taugenichtse einer prämodernen Zeit, doch die mag sie nicht leiden und so schultert sie den alten Karabiner ihres Vaters, gibt dessen kleinem, gerahmtem Portrait einen letzten Kuss und schwingt sich in die Steigbügel.

Drei Quantenaffen erlegt sie auf ihrer Flucht. Der erste stürzte sich noch im Stall auf sie, mit seinen roten, klumpigen Augen, der zweite lauerte am Stadttor, wo er seinen Wagen mit dem Schnaps und den alten Kleidern wie ein Fallgitter vor ihr niederstürzen lässt und der dritte ist ein Wegelagerer, irgendwo auf dem Weg zum Meer. Ihn erschießt sie einfach so, ohne dass er sich vorher gerührt hat.

Am Hafen tauscht sie ihr treues Reittier gegen eine Passage nach Amerika, den Karabiner behält sie. Und dann geht es los. Über die unruhige See. Ein bärtiger Alter will sie vergewaltigen; Auch ihn schießt sie nieder (wer wollte es ihr verübeln in solcher Ferne von der alten und der neuen Welt). Es vergehen Wochen, vielleicht Monate. An Bord weiß niemand mehr wieviel Zeit eigentlich vergangen ist, als sie endlich, im Schatten des großen Reiterstandbildes in den Hafen von York einfahren. Die Gesundheitskontrolle nimmt ihr Blut ab und macht einen Zuckertest. Alle Ergebnisse sind unauffällig und so darf sie das Land betreten (stiehlt einem gewissen Rossmann noch den Koffer, dem Armleuchter. So gelangt sie an einen Anzug, den sie versetzt, sich eine Tracht nach Art der Amerikaner zu kaufen).

Das Verschwinden

Die strukturelle Unvereinbarkeit von Seele und Gesellschaft, die daraus resultierende Schieflage und Kälte. Meine Mundwinkel fallen tief, wenn ich an sie, die anderen, denke. Freisein ist das Gegenteil davon. Frei von der Gesellschaft anderer. Frei von den Pflichten und sozialen Albdrücken, die aus sog. Freundschaften erwachsen, wie Geister aus der Schönheit.

So will ich nicht erwachsen, sondern vielmehr mein Leben in Beschaulichkeit dahinbringen, in Stille und Kälte; nur meinen eigenen Atem schauen, wie er langsam entschwindet.