hoch hinauf und wieder nieder

Die Herbststürme sind da und der Wind reißt unsere Seelen hoch hinauf, bis in den Himmel, eh er sie mit ganzer Macht wieder niederbrausen lässt.
Bäume stürzen hin, Blätter werden aufgewirbelt. Das Haar und die Gedanken, werden uns ganz wirr vor lauter Schönheit. Winddrachen reißen sich von ihren Leinen und fliegen fort, nach der offenen See. Abends sitzen wir am Küchentisch, erzählen von unseren Abenteuern, trinken Milch und essen Kekse. Die ersten Nachbarn, sehen wir – am offenen Fenster die Schornsteine der Häuser betrachtend – heizen schon.
Jeden Tag gibt es jetzt Brombeermarmeladenbrote, Apfelkuchen, Pfirsiche und Nektarinen. Das Obst bewahren wir im Schuppen hinter dem Haus in spanhölzernen Kisten gestapelt auf. Wir pressen Holunderbeeren aus und kochen den Saft zu dickem Sirup ein, den wir im Winter, wenn die Verwandten kommen, auf weißem Schnee als Nachspeise servieren werden. Noch aber ist Herbst: weder zu kalt noch zu heiß, sondern genau richtig. Abends verbrennen wir das rotgelbe Laub im Garten, garen Würstchen und Kartoffeln über und in den Flammen und singen Lieder vom Niedergang des Abendlandes. Wer mutig ist, der wagt dabei den Sprung über das lodernde Feuer.

 
Doch dann, eines morgens bist du einfach verschwunden. Es spielt keine Rolle, ob du mein kleiner Bruder, meine Freundin, mein Vater, meine Mutter, mein Hund bist. Du bist mit einem mal fort und hinterlässt eine leere Stelle. Du hast nicht gesagt warum und wohin, du bist einfach in den frühen Morgenstunden, als ich noch geschlafen habe gegangen. Dein Bett ist gemacht, du hast gespült und das Geschirr ordentlich ins Regal gestellt; dann hast du deinen Rucksack geschultert, bist in deine Stiefel geschlüpft und aufgebrochen.
Ich weiß nicht woher ich das weiß, aber es ist klar, dass du fort bist und nicht vorhast zurückzukehren. Die folgenden Tage und Wochen sind die Hölle. Andauernd regnet es und stürmt. Das Obst im Schuppen wird alt und runzlig, der Garten liegt voll faulem Laub und ich muss alleine das Feuerholz für den Winter schlagen. Ratten gehen an den Kohl und ein aggressiver Waschbär okkupiert die Vorräte im Schuppen.
Als dann tatsächlich der erste Schnee fällt, gefriert das Meer in mir und die wilden Winddrachen der Vergangenheit schlingern vereist über der ewigen, bleichen Fläche.

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