Eine Amsel

Ich kann mich nicht sehen in der Ferne, so reduziert bin ich auf Papier und Tinte und die Zweidimensionalität der Einsamkeit. Ich stehe im Regen und denke an Dich und wenn die Sonne wieder aufscheint, ziehe ich mich zurück in die Finsternis, in die Katakomben, die gerne Geist wären.

Ich stiere dann lange zwischen den Gitterstäben hindurch, meine Fäuste fest um die Stangen geschlossen, tränend.

Eine Amsel fliegt über das Dach und ich springe.

Dark

Dass die Schlinge sich enger und enger um ihren Hals ziehen würde hatte sie kommen sehen, auch dass sie ihren schnellen Tod bedeuten würde ja, – aber  diese Schmerzen kamen unerwartet und heftig. ›So wird es in alle Ewigkeit weitergehen‹, dachte sie und hätte wohl geweint.

Traumtagebuch (1)

Seltsame Träume geträumt.

1) Vor miesen Schergen eines nicht näher definierten Regimes geflohen. Immer den Rhein hinauf von Bonn nach Mainz. Stetig rennend. Kurz vorm Ziel begegne ich S., die mit dem Auto hergefahren ist. Gemeinsam rennen wir weiter und stehen schließlich bei P. und F. vor der Tür. Wir klingeln. Keuchend. Die beiden lachen.

2) K. ist aus irgendwelchen Gründen gestorben. Tage vergehen und die Welt um uns herum versinkt in Krieg und Chaos. Ein Doktor kommt zu Besuch und verabreicht K. Kaffee mit einem Schuss Rum. Sie erwacht zum Leben und ich weiche voll Schrecken zurück, muss mich erstmal setzen. Die Kaffeetasse fällt, noch halb voll, auf den Boden und rollt ein Stück weit. Sie zerbricht aber nicht.

del-Taste

Hiermit versagte sie ihr das Gedächtnis. Wie schrecklich. Die eigene Mutter tot und kein Wille zur Erinnerung. »Ein bisschen wie in 1984, wo sie die Vergangenheit kontrollieren.«, dachte sie noch, ehe sie den Schalter drückte.

Die Wurzeln hingen somit lose in der Luft, nur von einem Hauch umspielt, der einmal Elena geheißen hatte und ihre biologische Verbindung zur Menschheitsgeschichte gewesen war.

»Das brauchen Sie jetzt nicht länger«, sagte der Mann im Kittel und warf das letzte Foto in die Flammen.

Assoziationen:

1984 , Vergiss mein nicht! , Die Revolution der Zeit

 

Wer?

Er habe seinen Namen vergessen, sagte er mir und ich starrte ihn an, erkannte ihn auch nicht länger.
Wer war er? Wer war ich?
Den Kopf in der Hand wandte ich mein Haupt nach der Wand und begann zu weinen.

Eisenbachs Abschnitt

Eisenbachs Abschnitt reichte von der Theodor-Kreuz-Straße bis zum Vogelbrunnen. Sein Haar war inzwischen grau und weitgehend gelichtet, dennoch zog Eisenbach tagein tagaus seinen Gemüsekarren durch die Straßen und schlug seine Glocke. Seine Kunden waren die anderen alten Menschen, die hier lebten. Sie kauften bei ihm, weil sie das auf eine merkwürdig heimelige Weise an früher erinnerte, als es noch keine Supermärkte gab, sondern nur Tante-Emma-Läden und Apotheken und in manchen großen Städten ein Kaufhaus.

Erinnerungen

Alter Tran in neuen Schläuchen. Widerlich. – Aber was muss, das muss, sagte auch meine Tante Margarete immer. Danach nahm sie meist einen Schnaps oder etwas anderes hochprozentiges ein. Zwei Jahre ist Tante M. jetzt tot. Ich denke oft an sie. Vor allem, wenn ich Tran verpacke.

Zirkulation

Wohin der Wind uns auch treibt, ich werde da sein, wenn Du weinst, werde Deine Haare streichen und Dir zuhören. Der Himmel wird grau verhangen sein und Vögel werden in großen Schwärmen über uns hinweg ziehen, während wir dasitzen und einander trösten werden.

Wohin der Wind uns auch getrieben haben wird, Du wirst da sein, wenn ich leide, wirst mir durchs Gesicht streichen und mich fragen was ist und ich werde schweigen. Ich kann nicht gut über mich sprechen, werde ich sagen und der Himmel wird blau und hell sein und Vögel werden in großen Schwärmen aus dem Süden zurückkehren, während wir dasitzen und einander nicht verstehen werden. Das wird meine Schuld sein, wirst Du gesagt haben.

Wo auch immer der Wind abflauen wird, werde ich dasitzen und an Dich denken. Ich werde allein sein.

Risse in der Dunkelheit

1. Ein Mann sitzt im Dunkel und entzündet Streichhölzer. Eins, zwei, drei. Als die letzte Flamme verloschen ist beginnt er zu pfeifen. Eine alte Melodie, die er aus seiner Seele schöpft, wie es andere vor ihm getan haben und andere es tun werden.

2. Ich bin verloren in der Dunkelheit und höre das Pfeifen erst spät, da ein kalter Wind es in eine andere Richtung trägt. Gibt es in der Dunkelheit überhaupt Richtungen?

3. Eine kalte Hundeschnauze im Regen. Die braunen Augen dahinter starren in die Ferne, wo die Dunkelheit tobt. Darin (irre zuckend) sein Herr, der Wind und eine alte Melodie.

4. Spasmen meines Cortex’, Risse in der Borke meines Verstandes. Gibt es in einer Borke überhaupt Risse?