Ein Gastkommentar von Peter Punk-Ratz, vom anarchistischen Baum-Klub Potsdam:
Man muss sich das mal vorstellen, wie das sein muss. Ein Leben, zugebracht in einer kleinen Kate im Wald. Kein Strom, keine Toilette, überhaupt kein fließendes Wasser. An zivilisatorischen Errungenschaften nicht mehr als ein kleiner Ofen aus Gusseisen, Teller, Tasse, Topf, Messer und Gabel. Man muss sich das mal vorstellen. Keine Menschen, also auch keine Zuneigung und Liebe, keine Worte, keine Berührungen. Nur Pflanzen, Tiere, Wind und Wetter.
Und diesen Mann, der für 40 Jahre so dahin gelebt hat, den wollen sie jetzt holen und ins Gefängnis stecken. Wegen Landfriedensbruch und Wilderei soll ihm der Prozess gemacht werden. Das muss man sich mal vorstellen.
Dieser Mann heißt Hageborn und ist 72 Jahre alt. Ich hab ihn einmal zufällig auf einer meiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg getroffen. Er sprach leise, aber dafür, dass er zu jenem Zeitpunkt seit sieben Jahren keine Menschenseele mehr getroffen hatte, sehr klar und deutlich artikuliert. Der wusste Geschichten zu erzählen, da können sich andere nur die sieben Finger nach lecken. Aber hallo. Zum Beispiel hat Hageborn mal ein Kaninchen über den Harz getragen. Lüder nannte er es. Keine Ahnung was das für ein blöder Name ist. Aber das muss man sich mal vorstellen. 100 Kilometer und weiter mit dem Kaninchen durch die Wälder und die ganze Zeit nur von Schnaps und Beeren gelebt. An dem Kaninchen hat er sich gar nicht vergriffen, wie andere das getan hätten. Aber das wird ja in den Artikeln über den Mann nicht erwähnt, was der alles geleistet hat, für Wälder und Auen und den ganzen Kack. Stattdessen wird nur gehetzt. Weil irgendein Waldbaron sagt: Das wollen wir hier nicht. Stoppt die Wilderei, stoppt die Landstreicherei. Wo leben wir denn hier eigentlich?, frag ich da. Ist doch nicht das 13. Jahrhundert, also Mittelalter.
In der Zeitung, aber die ist ja im Grunde auch im Besitz von den Waldbaronessen und -baronen, da schreiben sie natürlich, dass Hageborn ein dreckiger Rumtreiber ist und rohe Tiere bei lebendigem Leibe verzehrt und, dass diese Tiere sich im Besitz vom Freiherrn von Gutzumberg befänden. Für Hageborn gibt es solchen Besitz an Tieren, Land und Pflanzen aber nicht. Die Unverletzlichkeit des Heims, die erkennt er an, denn, auch das hat Hageborn mir damals in der Mark erzählt, bei Nacht und Dunkelheit, wenn es kalt ist und der Herbstwind das tote Laub durch die Gräben fegt, dann braucht man einen Platz sich sicher zu fühlen. Hageborn würde auch niemals einen Fuchs bei Nacht aus seinem Bau ziehen und aufessen, Hageborn ist ein fairer Jäger. Und das ist immerhin mehr, als man von manch anderem behaupten kann.
Gutzumberg sagt jedenfalls, dass Hageborn ihn (also Gutzumberg höchstselbst) attackiert haben soll und hat jetzt die Polizei eingeschaltet. Seit gestern morgen durchkämmen diese von uns bezahlten Ordnungshüter das von-gutzumbergsche Land nach Hageborn. Ohne persönlich dabei gewesen zu sein, vertrete ich die Ansicht, dass von Gutzumberg Hageborn in der Ausübung seiner, für ihn ja lebensnotwendigen, Jagd hat behindern wollen. Hageborn hätte sich in diesem Fall nur zur ihm zustehenden Wehr gesetzt.
Dass die Polizei, dass unser Staatsapparat sich nun gegen ein freies Individuum wendet ist ein Skandal ohnegleichen und eine ungeheure Verschwendung von Steuergeld.